Gedanken nach 60 Jahren Ehe

Wie war es doch vor 60 Jahren als wir uns kennen lernten?
Wir waren jung und unerfahren und strebten nach dem Glück.
Wenn wir getrennt nur für Minuten oder länger uns entfernten,
sehnten wir uns sofort mit ganzem Herzen zueinander zurück.

Wir wollten allein sein und unsere Liebe genießen,
an einsamen Orten, auch in finsteren Ecken.
Wir wollten uns halten, nichts sollt` uns verdrießen.
drum spielten wir niemals heimlich Verstecken.

Wir konnten uns stundenlang Märchen erzählen
und hörten uns dabei aufmerksam zu.
Nichts war uns ferner als uns zu quälen 
und auch war vergeben ein Streit schon im Nu.

Nun sind wir gealtert und doch noch vereint,
auch wenn sich Gewohntes verändert hat.
Wir gehen spazieren, wenn die Sonne scheint, 
doch nebeneinander, mit Distanz, in der Tat.

Wir teilen ein Zimmer, aber nicht mehr das Bett.
Wir wärmen uns nicht, sondern schlafen schnell ein.
Dabei denken wir manchmal, es wäre so nett.
Und dann fragen wir uns, warum muss das so sein.

Viele trennen sich lieber als den Zustand zu dulden.
So wie jüngere Pärchen es heute meist machen.
Wer so lange gewartet, glaubt dem andren zu schulden,
die Geduld und die Treue und die anderen Sachen.

So bleibt man zusammen und schweigt sich meist an.
Man verbringt seine Tage und Nächte allein.
Man sehnt sich nach Nähe und denkt gern daran,
wie zu Anfang man liebte und lebte zu zwein.

So vergehen die Jahre und man altert dahin.
Man redet meist nur noch, wie schlecht es uns geht.
Man wünscht sich die Jugend und deren Gewinn,
Und das wird auch so bleiben bis man gänzlich vergeht.