Anlage zum Steuerhinweis für Rentner Nr. 116

Verstärkter Kampf der EU gegen Mehrwertsteuerbetrug

Seit Jahren wird im Rahmen der Steuerdiskussion bemängelt, dass die Regierung nicht rigoros genug gegen Steuerbetrüger vorgeht und auf große Steuereinnahmen verzichtet. Die EU-Mitgliedstaaten haben sich bereits im Juni 2018 auf neue Instrumente zur Schließung von Steuerlücken im EU-Mehrwertsteuersystem geeinigt. Nach ihrem Inkrafttreten können Mitgliedstaaten mehr sachliche Informationen austauschen und im Kampf gegen kriminelle Organisationen, einschließlich Terroristen, enger zusammenarbeiten. Dieses soll bis zum 1. Januar 2020 umgesetzt werden und ist auch dringend erforderlich, weil durch Mauscheleien mit der Mehrwertsteuer jährlich 170 Milliarden Euro dem Fiskus verloren gehen. Allein 50 Milliarden davon im grenzüberschreitenden Warenverkehr innerhalb der EU. Weitere Lücken entstehen beim innergemeinschaftlichen Dienstleistungsverkehr und durch Umgehung und Betrug international agierender Unternehmen.

Der Vorschlag der Kommission für eine weitreichende Reform des EU-Mehrwertsteuersystems vom Oktober 2017 und der Mehrwertsteuer-Aktionsplan "Auf dem Weg zu einem einheitlichen europäischen Mehrwertsteuerraum" aus dem April 2016 sollen mit den Beschlüssen über eine Schließung von Steuerlücken umgesetzt werden.

Die Befürchtungen, dass durch die mit Grenzöffnung zum 1.1.1993 bestehende Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Umsätze Anreize zum Steuerbetrug geschaffen wurden, haben sich leider bestätigt. Sie konnten durch das Kontrollverfahren der "Zusammenfassenden Meldung“ und die Erwerbsbesteuerung beim innergemeinschaftlichen Erwerber auch nicht verhindert werden. Es werden daher dringend notwendige Korrekturen im Rahmen einer Reform des EU-Mehrwertsteuersystems diskutiert.

Dabei sind m.E. folgende Maßnahmen erforderlich, um die Steuerrisiken weitestgehend einzudämmen und zusätzliches Steueraufkommen zu generieren:

·        Innergemeinschaftliche Umsätze zwischen Unternehmen sind am Sitzort des leistenden Unternehmens zu besteuern (Sitzortbesteuerung). Das sollte einheitlich für Warenlieferungen und Dienstleistungen gelten.

·        Für diese innergemeinschaftlichen Umsätze sollte in allen EU-Ländern ein einheitlicher Steuersatz gelten (z.B. 20 %). Nur diese Steuer darf der Erwerber als Vorsteuer unter der Voraussetzung geltend machen, dass er als EU-Unternehmer registriert ist und er durch eine Rechnung des ebenfalls registrierten leistenden EU-Unternehmers die von diesem geschuldete MWSt nachweisen kann.

·        Durch Erfassung der EU-Steuer des leistenden Unternehmers und den "besonderen Vorsteuerabzug" beim Leistungsempfänger wäre über das Umsatzsteuer- Voranmeldungsverfahren ein zeitnahes zentrales Clearing zwischen den betroffenen Steuerverwaltungen der EU-Staaten möglich.

Für die Unternehmen würde die Zusammenfassende Meldung entfallen und für die Steuerverwaltung eine zeitnahe Prüfung des Vorsteuerabzugs wie bei innerstaatlichen Umsätzen möglich. Neben einer Steuervereinfachung für die Unternehmen und die Steuerverwaltung wird ein Steuerbetrug dadurch eingedämmt, dass keine steuerfreien Umsätze mehr getätigt werden können, für die der Leistungsempfänger einen Vorsteuerabzugsanspruch hat.

Dieses vereinfachte Verfahren habe ich bereits 1993 bei Einführung des Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetzes in der Umsatzsteuer-Rundschau 12/93 unter Seite 405 mit dem Titel "Ungelöste Probleme des Umsatzsteuerbinnenmarktes und die Chancen auf ein echtes Ursprungslandsystem" publiziert.

In der Umsatzsteuer-Rundschau 10/97 habe ich das Thema auf Seite 376 mit dem Titel "Endgültiges Ursprungslandsystem vor Schaffung der Währungsunion und vollständiger Angleichung der MWSt-Sätze" nochmals aufgegriffen.

Im März 2000 habe ich meine Überlegungen im Rahmen einer Stellungnahme an den BDI zu dem Thema "Die Umsatzbesteuerung des Electronic Commerce im Rahmen eines angestrebten Ursprungslandsystems" nochmals zur Diskussion gestellt.

Mein Vorschlag wurde auch im Steuerausschuss des Bundesverbandes der Deutschen Industrie und der UNICE-VAT-Group der EU mit Vertretern anderer EU-Staaten diskutiert, konnte aber keine ausreichende Zustimmung für eine Verbandsinitiative finden. Daher blieb es mir vorbehalten, in verschiedenen Ausarbeitungen in meiner Homepage dieses nicht gelöste Problem mehrfach darzustellen (z. B. Steuerhinweis für Rentner Nr. 98 vom 5.1.2018).

Wenn heute das seit mehr als 25 Jahre bestehende Problem einer vernünftigen Lösung zugeführt werden soll, könnte m.E. die in meinen Publikationen umfassend begründeten Vorschläge aufgegriffen werden, um nicht nur den Steuerbetrug einzudämmen, sondern auch das aufwendige Verfahren der „Zusammenfassenden Meldung“ abzuschaffen und dadurch neben einer Steuervereinfachung auch das Steueraufkommen zu erhöhen und zu sichern.

Helmut Laser