Steuerhinweis für Rentner Nr. 100                                                 30.01.2018

Welche Auswirkungen hat die Abschaffung der Abgeltungssteuer ohne und mit Kompensationsmaßnahme

Die SPD hat in ihrem Wahlkampf damit geworben, dass sie bei Übernahme der Kanzlerschaft die "ungerechte Besteuerung" der Kapitaleinkünfte durch Abschaffung der Abgeltungssteuer beseitigen würde. Denn es sei ungerecht, wenn durch Arbeitnehmer erarbeitete Einkünfte höher besteuert würden als Zins- oder Dividendenerträge, die häufig auch noch auf ererbtes Vermögen entstehen.

Dabei wird vollständig ignoriert, dass es sich dabei meist um Dividenden oder Gewinnausschüttungen von Kapitalgesellschaften handelt, die dort der Gewerbesteuer und Körperschaftsteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag unterlegen haben. Wer sein Kapital in eine Gesellschaft investiert, damit diese ein Unternehmen betreiben und dadurch Arbeitsplätze schaffen kann, beteiligt sich genau so am Wirtschaftswachstum, wie wenn er mit diesem Kapital einen Betrieb eröffnet, dessen Gewinne durch Gewerbe- und Einkommensteuer belastet werden.

Nach dem Ergebnis der Sondierungsgespräche zwischen CDU/CSU und SPD soll die Abgeltungssteuer auf Zinserträge nun tatsächlich abgeschafft werden, weil mit der Etablierung des automatischen Informationsaustausches die Steuererhebung gesichert erscheint. Untere und mittlere Einkommen sollen schrittweise vom Solidaritätszuschlag durch eine Freigrenze vollständig entlastet werden. Die Aussage, dass die Steuerbelastung der Bürger nicht erhöht wird, ist aber eine Lüge, wenn die Abgeltungssteuer ohne eine Kompensationsmaßnahme abgeschafft wird.

Ein von einer Kapitalgesellschaft erwirtschafteter Gewinn vor Steuern von 1.000 € unterliegt (bei einem Hebesatz der Gemeinde von 380 %) der Gewerbesteuer mit 13,3% und der Körperschaftsteuer mit 15% sowie 0,825% Solidaritätszuschlag, insgesamt also 29,125 % (=291,25 €).
Wird das nach Abzug der Ertragsteuern verbleibende Ergebnis von 708,75 € an den Gesellschafter ausgeschüttet, unterliegt es bei ihm der Abgeltungssteuer von 25% zuzüglich 1,375% Solidaritätszuschlag, so dass bei ihm weitere 26,375% (=186,93 €) Steuern entstehen.
Es verbleiben von 1.000 € also noch 521,82 €. Der Fiskus erhält nach geltendem Recht also 47,82 %
des vom Unternehmen erwirtschafteten Gewinns vor Steuern.

Ein Einzelgewerbetreibender wird dagegen auf einen Gewinn vor Steuern von 1.000 € mit 13,3 % Gewerbesteuer und max. 45% Einkommensteuer zuzüglich 2,475% Solidaritätszuschlag besteuert. Auf die Steuer von 607,75 € wird ihm aber die Gewerbesteuer mit dem 3,8 fachen des Messbetrages von 3,5% (= 133 €) angerechnet, so dass nur eine Steuerbelastung von 474,75 € (47,475%) entsteht. Sie liegt daher etwas unter der oben beschriebenen Belastung der Kapitalerträge..

Sind die Kapitalerträge mit dem heute ab einem zu versteuernden Einkommen von 250.731 € schon geltenden tariflichen Steuersatz von 45% zu besteuern, so beträgt die Einkommensteuer auf die Ausschüttung von 708,75 € 318,94 €, so dass selbst bei Abschaffung des Solidaritätszuschlags lediglich 389,81 € verblieben (mit Solidaritätszuschlag sogar nur 372,27 €).
Der Fiskus erhielte von einem Gewinn vor Steuern von 1.000 € somit 62,77% Steuern, was zu einer nicht mehr zu rechtfertigenden Benachteiligung von Kapitaleinkünften führen würde. Selbst ab einem zu versteuernden Einkommen von 52.882 € führt der Steuersatz von 42% zu einer Steuer von 314,05 € und zu einer Steuerbelastung von 60,53%. Selbst die Abschaffung des Solidaritätszuschlags in diesem Einkommensbereich würde die Belastung nur um ca. 1,5%-Punkte mindern.

Um diese „Doppelbesteuerung“ auf ein erträgliches Maß abzufedern, wurde mit der Körperschaftsteuerreform ab 1977 beim Anteilseigner die Körperschaftsteuer der Bardividende hinzugerechnet und der Tarifbesteuerung unterworfen und die Körperschaftsteuer auf die Einkommensteuer wie eine Vorauszahlung angerechnet. 2001 wurde nach Abschaffung der Steueranrechnung das Halbeinkünfteverfahren eingeführt, was bedeutete, dass nur die Hälfte der Kapitaleinkünfte besteuert wurden.
In dieser Richtung muss bei Abschaffung der Abgeltungssteuer wieder eine Abmilderung der Gesamtbelastung geschaffen werden, will man nicht Verfassungsbeschwerden provozieren. Denn die Abschaffung der Abgeltungssteuer ohne eine solche Maßnahme würde schon ab Einkünften von 18.000 € (Ehegatten 36.000 €) eine Steuererhöhung bedeuten, weil der Grenzsteuersatz ab diesem Einkommen bereits 25% übersteigt. 

Die Auswirkungen auf die Steuerbelastung bei Abschaffung der Abgeltungssteuer zeigen folgende Beispiele:


ohne

mit

ohne

ohne


 Abgeltungsst.

 Abgeltungsst.

 Abgeltungsst.

 Abgeltungsst.

Besteuerung bei Kapitalgesellschaft

2007

ab 2009

2018

2018

Gewinn vor Steuern

1000,00

1000,00

1000,00

1000,00

Gewerbesteuer (Hebesatz 380) bis 2008 abzugsfähig

160,00

133,00

133,00

133,00

Gewinn aus Gewerbebetrieb

840,00

867,00

867,00

867,00

zu versteuern (GewSt ab 2009 keine BA)

840,00

1000,00

1000,00

1000,00

Körperschaftsteuersatz

25,00%

15,00%

15,00%

15,00%

Körperschaftsteuer

210,00

150,00

150,00

150,00

Solidaritätszuschlag 5,5%

11,55

8,25

8,25

8,25

Ergebnis nach Steuern (Bardividende)

618,45

708,75

708,75

708,75

Steuerbelastung der KapGes.

381,55

291,25

291,25

291,25

in %

38,16%

29,13%

29,13%

29,13%

Besteuerung beim Anteilseigner

Halbeinkünfte-
Verfahren

Abgeltungssteuer



Halbeinkünfte / Bardividende

309,23

708,75

708,75

708,75

zu versteuern

309,23

708,75

708,75

708,75

Einkommensteuersatz

45,00%

25,00%

42,00%

45,00%

Einkommensteuer

139,15

 

177,19

297,68

318,94

Solidaritätszuschlag 5,5%

7,65

9,75

16,37

17,54

Steuer insgesamt

146,80

171,90

288,79

309,42

Steuerbelastung des Anteilseigners

146,80

186,93

314,05

336,48

in %

14,68%

18,69%

31,40%

33,65%

Gesamtsteuer-
belastung

528,35

478,18

605,30

627,737

in %

52,84%

47,82%

60,53%

62,77%

Ergebnis nach Steuern für  Anteilseigner

471,65

521,82

394,70

372,27

Die Kompensationsmöglichkeiten sind in folgenden Modellrechnungen dargestellt:

ohne Abgeltungssteuer





Besteuerung bei Kapitalgesellschaft

2018

2018

2018

2018

Gewinn vor Steuern

1000,00

1000,00

1000,00

1000,00

Gewerbesteuer (Hebesatz 380)

133,00

133,00

133,00

133,00

Gewinn aus Gewerbebetrieb

867,00

867,00

867,00

867,00

zu versteuern (weil GewSt keine BA)

1000,00

1000,00

1000,00

1000,00

Körperschaftsteuersatz

15,00%

15,00%

15,00%

15,00%

Körperschaftsteuer

150,00

150,00

150,00

150,00

Solidaritätszuschlag 5,5%

8,25

8,25

8,25

8,25

Ergebnis nach Steuern (Bardividende)

708,75

708,75

708,75

708,75

Steuerbelastung der Gesellschaft

291,25

291,25

291,25

291,25

in %

29,13%

29,13%

29,13%

29,13%






Besteuerung beim Anteilseigner

Halbeinkünfte-

Verfahren

Anrechnungs-

 Verfahren

Halbeinkünfte / Bardividende

354,38

354,38

708,75 

708,75

Körperschaftst. und Soli der Kapitalges. 



158,25

158,25

zu versteuern

354,38

354,38

867,00

867,00

Einkommensteuersatz

42,00%

45,00%

42,00%

45,00%

Einkommensteuer

148,84

159,47

354,14

390,15

Solidaritätszuschlag 5,5%

8,19 

8,77

20,03

21,46

Steuer insgesamt

157,02

168,24

384,17 

411,61

anrechenbare   Körperschaftsteuer + Soli



158,25

158,25

Verbleibende Belastung des  Anteilseigners

157,02

168,24

225,92

253,36

Steuer des Anteilseigners

157,02

168,24

225,92

253,36

in %

15,70%

16,82%

22,59%

25,34%

Gesamtsteuerbelastung

448,27

259,49

517,17

544,61

in %

44,83%

45,95%

51,72%

54,46%

Ergebnis nach Steuern für Anteilseigner

551,73

540,51

482,83 

455,39


Fazit:
Nach geltendem Recht beträgt die Gesamtbelastung der Kapitaleinkünfte (Gewerbesteuer, Körperschaftsteuer, Abgeltungssteuer und Solidaritätszuschlag) rd. 48 %.

Bei Abschaffung der Abgeltungssteuer würde die Gesamtbelastung bei dem Grenzsteuersatz  von 42 % auf fast 61 % und bei dem Spitzensteuersatz von 47 % sogar auf fast 63 % ansteigen.

Die Wiedereinführung des Halbeinkünfteverfahrens würde die Gesamtbelastung auf ca. 45 %-Punkte bzw. etwas darüber reduzieren, aber noch über der Belastung der Einzelgewerbetreibenden liegen. Gleichzeitig würden die geringeren Einkommensbereiche entlastet.

 

Das Anrechnungsverfahren würde dagegen je nach Ausgestaltung eine moderate Erhöhung der Gesamtbelastung um 4 bzw. 7 % ergeben. 

Helmut Laser