Steuerhinweis für Rentner Nr. 105 14.04.2018
Bundesverfassungsgericht erklärt die Berechnungsgrundlage der Grundsteuer für verfassungswidrig
1. Vorbemerkungen
Bereits zum Jahresende 2011 wurde in den Medien vielfach darauf hingewiesen, dass sich das Bundesverfassungsgericht mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit der derzeitigen Grundsteuererhebung auf Basis der bisher festgestellten Einheitswerte befasst und man deswegen gegen eingehende Einheitswertbescheide für Grundstücke bzw. Grundsteuerbescheide vorsorglich Einspruch erheben sollte (siehe Steuerhinweis für Rentner Nr. 37 vom 7.12.2012).
Am 10.4.2018 hat das Bundesverfassungsgericht nunmehr entschieden, dass die Grundsteuer nur noch bis Ende 2019 auf der Basis des bisher geltenden Gesetzes erhoben werden darf. Gleichzeitig räumt das Gericht aber noch eine Übergangsfrist bis Ende 2024 ein, in der die bisherigen Werte noch für die Berechnung der Grundsteuer weiter genutzt werden können.
Die derzeitige Bewertung der Grundstücke im Rahmen der Einheitsbewertung erfolgen in den alten Bundesländern auf dem Zahlenmaterial des Jahres 1964 und in den neuen Bundesländern auf Werte des Jahres 1937. Sie ergeben z.B. bei Einfamilienhäusern Werte, die lediglich 1/4 bis 1/5 des Verkehrswertes ergeben. Dieses führt daher gegenüber anderen Vermögenswerten wie beispielsweise Sach- und Geldvermögen zu einer ungleichen Besteuerung und besonders bei der Grundsteuer zu einer sehr geringen Steuerbelastung. Diese Ungleichbesteuerung ist nach Auffassung des Gerichts mit dem Grundgesetz nicht mehr vereinbar und durch eine Gesetzesänderung bis Ende 2019 zu ändern. Das Gericht übt damit Druck auf den Gesetzgeber aus.
Um diese Ungleichheit bei der Vermögensteuer zu beseitigen, wurde diese Steuer bereits vor Jahren „abgeschafft“, denn eine völlige Neubewertung des Grundvermögens hätte zu erheblichen Belastungen (Arbeits- und Verwaltungsaufwand) insbesondere für die Unternehmen und den Fiskus geführt.
Für die Grundsteuer konnte jedoch auf Einheitswerte nicht verzichtet werden, weil den Kommunen sonst die Grundlage für diese Kommunalsteuer entzogen wäre und ein neues Verfahren ein langjähriges Gesetzgebungsverfahren bedingt hätte. So behalf man sich mit pauschalen Zuschlägen. Diese Mehrbelastung einer Grundstücksneubewertung muss nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts nunmehr in Kauf genommen werden, erfordert aber die vom Gericht eingeräumte Übergangsfrist.
Die bisher bestehenden gesetzlichen Regelungen und deren Auswirkung für die Einheitsbewertung des Grundvermögens und die Erhebung der Grundsteuer werden zum Verständnis der beschriebenen Besteuerungsproblematik nachfolgend dargestellt:
2. Bewertungsgrundsätze
Jedes Grundstück, Wohneigentum und oder auch Teileigentum bildet für sich eine wirtschaftliche Einheit, die für sich zu bewerten ist (§ 1 BewG). Wohnungseigentum, das zu mehr als 80 % Wohnzwecken dient, ist mit dem Vielfachen der Jahresrohmiete nach den für Mietwohngrundstücke geltenden Vorschriften zu bewerten. Der Wert von Grundstücken ist grundsätzlich im Ertragswertverfahren der §§ 78 ff. BewG zu ermitteln. Dabei ist der Grund- und Bodenwert als Mindestwert zu beachten.
Der Grundstückswert erfasst den Bodenwert, den Gebäudewert und den Wert der Außenanlagen. Er ergibt sich grundsätzlich durch Anwendung eines Vervielfältigers auf die Jahresrohmiete.
Jahresrohmiete (§ 79 BewG) ist das Gesamtentgelt, das die Mieter für die Benutzung des Grundstücks auf Grund vertraglicher Vereinbarungen (Mietvertrag) für 1 Jahr zu entrichten haben. Dabei sind Umlagen und alle sonstigen Leistungen des Mieters einzubeziehen. Für eigengenutzte oder unentgeltlich überlassene Grundstücke, für die keine Jahresrohmiete gezahlt wird, ist die übliche Miete in Anlehnung an die Jahresrohmiete zu schätzen, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird. Das gilt auch, wenn der Eigentümer dem Mieter die Räume zu einer um mehr als 20% von der üblichen Miete abweichende tatsächliche Miete überlassen hat.
Die erheblichen Steigerungen der Mietzahlungen hätten zwangsläufig zu häufigen Wertfortschreibungen mit steigenden Grundsteuerbelastungen geführt. Daher wurde die Bewertung der Grundstücke auf den Wertverhältnissen 1964 festgeschrieben, so dass heute noch von den durchschnittlichen Jahresrohmieten des Jahres 1964 der Gemeinden und nicht von den tatsächlich erzielten Mieteinnahmen ausgegangen wird.
Auf die maßgebliche Jahresrohmiete ist ein Vervielfätiger (§ 80 BewG) anzuwenden, der sich nach Grundstücksart, Bauart, Baujahr usw. ergibt und aus einer Tabelle (Anlage zum BewG) ablesbar ist. Außergewöhnliche, wertmindernde Umstände können durch Abschläge berücksichtigt werden (§§ 81 und 82 BewG).
Der mit DM-Werten ermittelte Einheitswert wird auf volle 100 DM abgerundet und in € umgerechnet und wieder auf volle 100 € gerundet.
In Einzelfällen, z.B. bei besonders aufwendig gebauten Wohnhäusern, ist die Bewertung statt im Ertragswertverfahren im Sachwertverfahren durchzuführen, was zu sehr viel höheren Werten führt, wodurch auch die Ungleichheit der Besteuerung deutlich wird.
3. Fortschreibung und Nachfeststellung der Einheitswerte
Einheitswertfortschreibungen (§ 22 BewG) erfolgen, wenn Wertänderungen eintreten und dabei bestimmte Wertgrenzen erfüllt werden. Über die Art und Zurechnung des Gegenstandes wird eine Art- bzw. Zurechnungsfortschreibung erteilt, wenn es für die Besteuerung von Bedeutung ist.
Eine Nachfeststellung (§ 23 BewG) erfolgt, wenn eine wirtschaftliche Einheit neu entsteht oder eine bestehende erstmals zur Steuer herangezogen werden soll. Die Festsetzung erfolgt nur zum 1.1. eines Kalenderjahres.
4. Grundsteuererhebung
Auf den Einheitswert berechnet das Finanzamt den Grundsteuermessbetrag mit 3,5 von Tausend (bei Einfamilienhäusern für 38.346,89 € des Einheitswertes nur 2,6 v.T. und erst darüber hinaus 3.5 v.T.). Das Finanzamt erteilt dem Grundstückseigentümer einen Grundsteuermessbescheid. Dieser wird auch der Gemeinde zugestellt, die daraufhin mit dem für ihre Gemeinde selbst festgelegten Grundsteuerhebesatz (B für Grundstücke) die Jahresgrundsteuer festsetzt und mit einem Grundsteuerbescheid bekannt gibt. Ein Erhöhung des Einheitswertes führt automatisch zu einer höheren Grundsteuer. Sie könnte z.B. bei einer Neubewertung durch Senkung des Grundsteuerhebesatzes der Gemeinde wieder auf die bisherige Belastung reduziert werden.
5. Vereinfachtes Berechnungsbeispiel für den Einheitswert eines Einfamilienhauses
Bei einer Wohnfläche von 100 qm und einer tatsächlichen Monatsmiete von 1.000 € wird lediglich eine Monatsmiete von z.B. 4 DM je qm des Jahres 1964, d.h. nur 2,05 € je qm angesetzt, was eine Jahresrohmiete von 2.460 € ergibt.
Der Vervielfältiger für Einfamilienhäuser beträgt 11,8. Der Einheitswert beträgt daraufhin gerundet nur 29.000 €. Daraus errechnet sich der Grundsteuermessbetrag mit 2,6 v.T. = 75,40 €. Die jährliche Grundsteuer beträgt bei einem Hebesatz von 400 % 301,60 €.
Bei Ansatz der heute geltenden Jahresrohmiete von 12.000 € würde sich ohne Änderung des Vervielfältigers von 11,8 ein Einheitswert von 141.600 € und ein Grundsteuermessbetrag von rd. 461 € ergeben. Bei einem Hebesatz von 400 würde sich die Grundsteuer auf 1.844 € erhöhen.
6. Fazit
Wie das Beispiel zeigt, wird eine notwendige gesetzliche Neuregelung sicher einen höheren Einheitswert ergeben. Eine unveränderte Grundsteuerbelastung wird daher nur durch einen geringeren Vervielfältiger und/oder Hebesatz bzw. bei einem völlig neuen Verfahren zu erreichen sein.
Vorschläge hierfür werden bereits seit Jahren diskutiert.
Das Kostenwertmodell setzt sich zusammen aus dem Bodenrichtwert (Grundstücksverkaufspreis) und dem Kostenwert für das Gebäude (pauschalierte Baukosten mal Gebäudegrundfläche abzüglich Altersabschläge).
Bei dem Äquivalenz-Modell ist nur die Fläche von Gebäuden und Grundstücken für die Grundsteuer maßgebend, wobei sich die hohen Immobilienpreise nicht nachteilig auswirken würden.
Bei der Bodensteuer wäre allein die Grundstücksgröße und dessen Wert maßgebend, unabhängig ob unbebaut oder bebaut.
Der Gesetzgeber wird dieses Thema nun nicht länger hinaus schieben können. Es ist abzuwarten, durch welche Maßnahmen die Kommunen einen Ausgleich schaffen werden oder ob sie das Mehraufkommen gegen alle derzeitigen Beteuerungen doch ganz oder zum Teil vereinnahmen werden..
Helmut Laser
Ergänzung:
Nach einem Vorschlag des Bundesfinanzministeriums aus dem November 2018 wird ein wertabhängiges Modell für die Neuberechnung des Einheitswertes wie folgt vorgeschlagen:
Die Berechnungsgrundlagen werden aus der Nettokaltmiete, der Wohnfläche, dem Baujahr, der Grundstücksfläche sowie dem aktuellen Bodenwert bestimmt. Da sich daraus erheblich höhere Einheitswerte ergeben, soll durch eine massive Absenkung der Steuermesszahl (siehe Ziffer 4) eine Teilkompensation erfolgen. Auch die Gemeinden sollen durch Senkung ihres Hebesatzes dazu beitragen, dass die Mehrbelastungen an Grundsteuer im Rahmen bleiben.
27.11.2018