Steuerhinweis für Rentner Nr. 108 19.10.2018
"Steuerlich gesehen ist es sinnvoller, Schweine aufzuziehen als Kinder!"
Wie gerecht ist unser Steuertarif?
Mit dieser provozierenden Aussage wurde kürzlich in der Sendung "Hart, aber fair" darauf hingewiesen, dass im deutschen Steuerrecht ein Schweinezüchter alle Kosten als Betriebsausgaben geltend machen kann, während die Kosten für Kinder hingegen bei der Besteuerung viel weniger berücksichtigt würden.
Es ist richtig, dass bei der Gewinnermittlung des zu versteuernden Gewinns eines Gewerbebetriebes oder einer freiberuflichen Tätigkeit den Einnahmen alle Ausgaben gegenüber zu stellen sind, die dieser Tätigkeit zuzuordnen sind.
Die Kosten für die Kinder fallen dagegen in den Privatbereich des Steuerpflichtigen und sind nur pauschaliert (Kinderfreibeträge) oder individuell für Gruppen von Kosten wie zum Beispiel Aus- und Fortbildungskosten einkommensmindernd und damit steuerlich zu berücksichtigen.
Insbesondere Alleinerziehende werden in diesem Zusammenhang als die besonders Benachteiligten hervorgehoben. Das gilt gegenüber Ehepaaren mit Kindern insbesondere auch deswegen, weil im Splittingtarif durch Halbierung des gemeinsamen Einkommens der Grundfreibetrag doppelt berücksichtigt wird und der progressive Einkommensteuertarif sich positiv auswirkt. Die Diskussion über eine nachteilige Besteuerung der Alleinstehenden gegenüber Verheirateten ist damit sofort wieder angeheizt.
Für die heutige Rentnergeneration war es immer klar, dass das Familieneinkommen ein gemeinsames Einkommen ist, das beiden Ehepartnern und ihren Kindern dazu diente, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Das galt für Ehepartner, die jeder ein eigenes Gehalt verdienten genau so wie in den Fällen, wo z. B. nur der Ehemann der Verdiener war und die Ehefrau durch Hausarbeit und Kindererziehung ihren Beitrag zur Familie leistete. Dem trägt das Steuerrecht dadurch Rechnung, dass das gemeinsame Einkommen jedem Ehegatten zur Hälfte zugerechnet wird (Splitting) und darauf die Steuer berechnet und dann verdoppelt wird. Dadurch wird der Grundfreibetrag (2018 9.000 €) und der progressive Steuertarif wie bei Alleinstehenden für beide Ehegatten wirksam.
Während früher zwei junge Menschen auch schon einmal wegen der steuerlichen Wirkungen an eine Eheschließung dachten, hat die Ehe heute, selbst wenn Kinder kommen, nicht mehr die Bedeutung wie früher. Nicht umsonst führt die Anzahl der Alleinerziehenden zu einem immer stärker werdenden Problem in unserer Gesellschaft. Früher war die Familie der Ort, an dem Kinder aufwuchsen und versorgt wurden. Heute werden Kinder schon im jüngsten Alter in Krippen und Kitas betreut, zunehmend auch kostenfrei. Damit tragen dann die Steuerzahler diese Kosten.
Da Kindererziehung immer mehr der Gemeinschaft übertragen wird und die Ehe als Lebensgemeinschaft an Bedeutung verliert, kommt das Thema einer Neuordnung unseres Steuersystems und Abschaffung des Splittings wieder neu in die Diskussion. Gleichzeitig wird auch die Senkung der Steuerbelastung z. B. durch Abschaffung des Solidaritätszuschlags seit langem gefordert, insbesondere auch deswegen, weil die Steuereinnahmen derzeit sprudeln.
Es stellt sich daher die Frage, ob beide Themen nicht miteinander verbunden werden sollten. Die Abschaffung des Splittings würde zu Mehrsteuern führen, die durch Abschaffung des Soli kompensiert werden könnten, was gleichzeitig den Gestaltungsspielraum für eine eingeforderte Steuergerechtigkeit schaffen würde.
Die Tabelle (Steuerbelastungsvergleich) zeigt in Spalte H die Differenzen, die sich 2018 bei der Gesamtbelastung (Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag) zwischen Splitting- und Grundtabelle ergeben. Sie steigen mit der Höhe des zu versteuernden Einkommens an und betragen ab 100.000 € konstant 9.096 €. Ab 260.000 € erhöht sich die Differenz wegen des höheren Steuersatzes von 45% weiter auf bis zu ca. 17.300 € ab einem zu versteuernden Einkommen von rd. 520.000 €.
Beispiel: Für ein zu versteuerndes Einkommen von 60.000 € würde sich bei Entfall des Splittingtarifs die Steuerbelastung von 11.299 € um 6.196 € auf 17.495 € erhöhen. Ohne Soli würde die Erhöhung um 912 € geringer ausfallen. Bei Einführung eines Ehepartnerfreibetrages von 9.000 € würde sich die Mehrbelastung sogar auf 1.499 € reduzieren lassen.
Bei Abschaffung des Splittingtarifs würden sich somit erhebliche Mehrbelastungen ergeben. Diese ließen sich aber stark reduzieren, wenn gleichzeitig der Solidaritätszuschlag abgeschafft würde (Vergleich der Spalten D und E). Um bei Entfall des Splittings auch den Nachteil aus dem Entfall des doppelten Grundfreibetrags auszugleichen, könnte ein Ehepartnerfreibetrag in Höhe von 9.000 € geschaffen werden. Dadurch würden die Differenzen weiter reduziert (Spalte K). Ein höherer Freibetrag würde sogar eine weitere Minderung der Belastungsdifferenzen ermöglichen.
Ein weiterer Nachteil bei der Besteuerung ergibt sich für Alleinerziehende, weil die Kosten der Kinder nicht in demselben Umfang berücksichtigt werden wie bei zusammenveranlagten Ehepaaren.
Die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrages in Höhe des Existenzminimums eines Kindes einschließlich der Bedarfe für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung wird für den gesamten Veranlagungszeitraum entweder durch den Kinderfreibetrag gem. § 32 Abs. 6 EStG oder durch das Kindergeld (§ 62 ff EStG) bewirkt.
Der Kinderfreibetrag beträgt für jedes Kind 2.394 € zuzüglich 1.320 € für die Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungskosten, also insgesamt 3.714 €. Bei Ehegatten, die zusammen veranlagt werden, verdoppelt sich der Betrag auf 7.428 €, wenn das Kind zu beiden Ehegatten in einem Kindschaftsverhältnis steht.
Alleinerziehende erhalten dagegen keine Verdoppelung der Freibeträge, sondern nur einen Entlastungsbetrag von 1.908 € für das erste und 240 € für jedes weitere Kind. Daher wird das erste Kind nur mit 5.622 € (Kinderfreibetrag 3.714 € und 1.908 €) entlastet und jedes weitere sogar nur mit 3.954 € (3.714€ + 240 €). Diese Entlastung ist bei Alleinerziehenden somit beim ersten Kind um 1.806 € und bei jedem weiteren Kind sogar um 3.474 € geringer als bei Verheirateten. Dieses zeigt die bisher beabsichtigte Besserstellung einer Kindererziehung in einer Familie und wird daher in der heutigen Zeit als ungerecht angeprangert. Der bei einer Abschaffung des Soli gewonnene Spielraum könnte daher durch Verbesserung der Freibeträge für Kindererziehung von Alleinerziehenden genutzt werden, um diese Ungleichheit den heutigen Verhältnissen entsprechend zu beseitigen.
Unabhängig von der Wirkung der Steuerfreibeträge und des progressiven Steuertarifs haben Eltern einen Anspruch auf Kindergeld, das monatlich gezahlt wird und nicht zu versteuern ist. Es beträgt 2018 für das 1. und 2. Kind monatlich 194 € (jährlich 2.328 €), für das 3. Kind 200 € (jährlich 2.400 €) und für alle weiteren Kinder 225 € (jährlich 2.700 €). Bei der Einkommensteuerveranlagung wird von Amtswegen geprüft, ob bei Berücksichtigung der o.g. Kinderfreibeträge eine höhere Steuerermäßigung entsteht als das Kindergeld. Dann werden die Freibeträge berücksichtigt und das Kindergeld gegen gerechnet.
Wie diese Darstellung zeigt, bietet unser Steuersystem derzeit die nötigen Spielräume, um ein gerechteres Besteuerungsverfahren zu schaffen, alte Zöpfe abzubauen und -wie im Wahlkampf versprochen- ohne Steuererhöhungen im Spitzensteuersatz notwendige Steuerentlastungen im unteren und mittleren Einkommensbereich zu schaffen.
zu versteuerndes Einkommen | Splitting- | Grund- | Differ. | Ehepartner- | Differ. | ||||
A | B | C | D | E | F | G | H | I | K |
ESt | Soli | Se. | ESt | Soli | Se. | G - D | ESt | I - D | |
180.000 | 58.357 | 3.209 | 61.566 | 66.978 | 3.683 | 70.662 | 9.096 | 63.198 | 1.632 |
170.000 | 54.157 | 2.978 | 57.135 | 62.778 | 3.452 | 66.231 | 9.096 | 58.998 | 1.863 |
160.000 | 49.957 | 2.747 | 52.704 | 58.578 | 3.221 | 61.800 | 9.096 | 54.798 | 2.094 |
150.000 | 45.757 | 2.516 | 48.273 | 54.378 | 2.990 | 57.369 | 9.096 | 50.598 | 2.325 |
140.000 | 41.557 | 2.285 | 43.842 | 50.178 | 2.759 | 52.938 | 9.096 | 46.398 | 2.556 |
130.000 | 37.357 | 2.054 | 39.411 | 45.978 | 2.528 | 48.507 | 9.096 | 42.198 | 2.787 |
120.000 | 33.157 | 1.823 | 34.980 | 41.778 | 2.297 | 44.076 | 9.096 | 37.998 | 3.018 |
110.000 | 28.957 | 1.592 | 30.549 | 37.578 | 2.066 | 39.645 | 9.096 | 33.798 | 3.249 |
100.000 | 24.866 | 1.367 | 26.234 | 33.378 | 1.835 | 35.213 | 8.980 | 29.598 | 3.365 |
90.000 | 20.992 | 1.154 | 22.147 | 29.178 | 1.604 | 30.782 | 8.636 | 25.398 | 3.252 |
80.000 | 17.362 | 954 | 18.317 | 24.990 | 1.374 | 26.364 | 8.048 | 21.198 | 2.881 |
70.000 | 13.926 | 765 | 14.692 | 20.786 | 1.143 | 21.929 | 7.237 | 16.998 | 2.306 |
60.000 | 10.710 | 589 | 11.299 | 16.583 | 912 | 17.495 | 6.196 | 12.798 | 1.499 |
50.000 | 7.716 | 424 | 8.140 | 12.433 | 683 | 13.116 | 4.976 | 9.026 | 886 |
40.000 | 4.942 | 271 | 5.214 | 8.681 | 477 | 9.158 | 3.945 | 5.660 | 446 |
30.000 | 2.388 | 131 | 2.519 | 5.355 | 294 | 5.649 | 3.130 | 2.735 | 216 |
20.000 | 302 | 16 | 319 | 2.471 | 135 | 2.606 | 2.288 | 319 | 0 |
10.000 | 0 | 0 | 0 | 151 | 8 | 159 | 159 | 0 | 0 |
5.000 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
Helmut Laser