Steuerhinweis für Rentner Nr. 115 www.helmutlaser.com 2.3.2019
Wie gerecht ist die von der SPD angestrebte Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung?
Die von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil vorgeschlagene Grundrente für Personen, die mindestens 35 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt haben, hat in der Regierungskoalition wie auch in der Öffentlichkeit zu erheblichen und kontroversen Diskussionen geführt. Insbesondere die nicht gewollte Bedürftigkeitsprüfung und die Finanzierungsfrage werden dabei stark kritisiert.
Die derzeitige Rentnergeneration ist in den Kriegs- bzw. Nachkriegsjahren geboren und hat daher einen sehr viel schwierigeren Start gehabt als es die Folgegeneration hatte, die im Wirtschaftswunderzeitalter aufgewachsen ist und ein freieres und selbstbewusstes Leben entwickeln konnte. Wer heute als Rentner über 63 Jahre alt ist, wurde bis 1956 geboren und hat die Kriegs- und Nachkriegszeit erlebt. Das Berufsleben begann also in den 70iger bzw. bei längerer Ausbildung z.B. durch Studium Anfang der 80iger Jahre. Die Möglichkeit, einen festen Job mit guten Verdienstmöglichkeiten auszuüben und dadurch die Basis für eine gute Alterssicherung zu schaffen, war daher trotz einzelner Rezessionsphasen sehr gut. Dazu kamen die bei großen Unternehmen häufig gewährten betrieblichen Versorgungszusagen (die 40 größten Industrieunternehmen beschäftigen ca. 6,2 Mio Mitarbeiter, Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen eine halbe Million). Hieraus resultiert eine gute Rente der im Ruhestand lebenden, zumeist männlichen Rentner. Daher verwundert es auch nicht, dass bei den in Talkshows als Beispiele der Altersarmut interviewten Personen kaum Männer präsentiert werden.
Die als Beispiele der Altersarmut gezeigten Rentner sind daher meist Frauen und häufig auch Alleinstehende. Nur selten wird dabei der Grund ihrer Altersarmut durchleuchtet. Es wird vielmehr bemängelt, dass sie ein Leben lang gearbeitet haben und nun von einer Rente leben müssen, die unter den Hartz-IV-Bezügen liegt und daher aufgestockt werden muss. Dabei waren diese Rentnerinnen meist verheiratet und haben Kinder aufgezogen und daher nur eine Teilzeittätigkeit oder eine gering bezahlte Tätigkeit ausüben können oder auch wollen. In der Zeit ihrer Ehe hatte der Ehemann in der Regel die Haupteinkünfte der Familie erzielen müssen und dadurch auch entsprechend höhere Renteneinkünfte erwirtschaften können. Hiervon profitiert auch die Ehefrau, sogar über den Tod des Ehemannes hinaus (Mannesrente). Selbst im Scheidungsfall hat die Frau einen Anspruch auf einen Teil der Rentenansprüche ihres Ehemannes.
Wer also im Laufe seines Lebens mit seinen sozialversicherungspflichtigen Einkünften nur einen geringen Rentenanspruch erworben hat, kann daher nicht deswegen eine höhere Rente beanspruchen, weil er 35 Jahre z. B. nur Nebeneinkünfte oder gering entlohnte Beschäftigungen ausgeübt hat. Personen, die sich keinen ausreichenden Rentenanspruch erwirtschaftet haben, sollten keine Aufstockung über einen Sozialhilfebetrag hinaus erhalten, wenn sie in der Familie (Ehe) ausreichend abgesichert sind. Dazu gehören nämlich auch die Rentenansprüche, die ihnen aus der Leistung für die Familie während der Ehe zustehen und die ihnen automatisch zufließen, wenn ein Ehepartner verstirbt. Durch stärkere Berücksichtigung von Erziehungszeiten wird die Kindererziehung inzwischen auch bei der Rentenberechnung der Mütter berücksichtigt. Eine Grundrente muss daher auch die Bedürftigkeit bei Ehepaaren berücksichtigen, wenn durch die Rente des Ehepartners eine ausreichende Altersversorgung gesichert ist. Das gilt für Selbständige und Beamten genau so wie für den Durchschnitt der in der Industrie und im Handel Beschäftigten mit tariflichen Einkünften und Betriebsrenten.
Anders ist das Problem aber in den Fällen zu sehen, wo Unverheiratete mit und ohne Kinder mit ihrem eigenen Verdienst ihren Unterhalt bestreiten müssen. Unter dem Versorgungsgesichtspunkt ist daher zu beklagen, dass die Ehe in Partnerschaften insbesondere auch mit Kindern inzwischen ihre Bedeutung verloren hat. Hinzu kommt, dass auch bei unehelichen Kindern oder nach einer Scheidung etwa die Hälfte der Väter (rd. 700.000) ihren Verpflichtungen nicht nachkommen und darauf vertrauen, dass der Staat mit einem Unterhaltsvorschuss bis zum vollendeten 17. Lebensjahr einspringt und schließlich darauf hängen bleibt. Denn 2017 standen den Vorschüssen von 1,1 Milliarden nur 209 Millionen erfolgreicher Zurückerstattungen gegenüber. Die Alleinerziehenden haben diese Entwicklung auch im Hinblick auf ihre Altersabsicherung zu verkraften und es fragt sich, ob es Aufgabe der Allgemeinheit ist, für Rentenzahlungen aufzukommen, welche die Alleinerziehenden nicht selbst erwirtschaftet haben und die Väter der Kinder ihren Verpflichtungen nicht nachkommen.
Wenn man das Kriterium „35 Jahre in die Rentenversicherung einzuzahlen“ als alleiniges Merkmal ohne Prüfung der Bedürftigkeit heranzieht, wird man sich der Gerechtigkeitsproblematik stellen müssen.
Was gilt für die Fälle, die nur 34 Jahre in die Rentenversicherung einzahlen konnten (Übergangsregelung)? Wie ist der 35-Jaheszeitraum zu berechnen, wenn beim Wechsel des Arbeitgebers Unterbrechungen erfolgt sind oder aus anderen Gründen keine Einzahlungen in die Sozialversicherung möglich war? Auch andere Einkunftsarten können das Alterseinkommen sichern (Kapitaleinkünfte, Vermietungseinkünfte, private Renteneinkünfte), sollen diese bei der Bedürftigkeitsprüfung außer Betracht bleiben? Hier dürfte auch ein Kompromiss in der großen Koalition zu finden sein, will man die Grundrente im Sinne der Koalitionsvereinbarung noch in der laufenden Regierungsperiode umsetzen (Einkommensprüfung durch letzten Steuerbescheid). Es bleibt also spannend.
Ein wesentlicher Kritikpunk für die Einführung der Grundrente war die von der SPD nicht gewünschte Bedürftigkeitsprüfung. Dieses Thema ist durch die Große Koalition im Februar 2020 dahingehend entschieden worden, dass anhand der dem Finanzamt bekannten Einkommensdaten geprüft werden soll, ob eine Einkommensgrenze von monatlich 1.250 € bei Alleinstehenden und 1.950 € bei Verheiratenden nicht überstiegen wird. Übersteigende Einkommensbeträge sollen zu 60% auf die Grundrente angerechnet werden.
Als Übergangsregelung soll auch für Rentner mit einer Einzahlungszeit von 33 Jahren über einen Freibetrag von zunächst max. 216 € eine Grundrente ermöglicht werden. Nun muss der Bundestag noch zustimmen.
Helmut Laser