Steuerhinweis für Rentner Nr.92 1.8.2017
Der progressive Einkommensteuertarif und der Progressionsvorbehalt für bestimmte steuerfreie Einkünfte
(Vorschlag für eine moderate Steuersatzerhöhung)
1.Der deutsche Einkommensteuertarif
Der Einkommensteuertarif ist in § 32a EStG für 2017 so festgelegt, dass vom zu versteuernden Einkommen ein Grundfreibetrag von 8.820 € frei bleibt und das verbleibende Einkommen bis zu 53.665 € beginnend mit dem Steuersatz von 14 % besteuert wird, der anschließend progressiv auf 42 % steigt. Für Einkommen ab 256.303 € gilt dann ein Steuersatz von 45 %.
Bei Verheirateten wird das gemeinsam zu versteuernde Einkommen halbiert und darauf die Steuer nach dem obigen Grundsatz ermittelt und dann verdoppelt (Splittingverfahren).
Durch das Ansteigen des durchschnittlichen Steuersatzes (Steuer geteilt durch zu das versteuernde Einkommen) ergibt sich bei Einkommenserhöhungen auch ein höherer Durchschnittssteuersatz auf das gesamte zu versteuernde Einkommen, was als kalte Progression bezeichnet wird.
Der durchschnittliche Steuersatz sowie der Grenzsteuersatz verändern sich lt. Grundtabelle beispielsweise wie folgt. Für Ehegatten und -partner gelten die doppelten Einkommensbeträge, die ausgewiesene Einkommensteuer ist zu verdoppeln:
Zu versteuerndes Einkommen | Einkommensteuer | Durchschnittsbelastung | Grenzsteuersatz |
18.000 € | 1.993 € | 11,70 % | 25,86 % |
24.000 € | 3.626 € | 15,11 % | 28,54 % |
36.000 € | 7.374 € | 20,48 % | 33,91 % |
48.000 € | 11.766 € | 24,51 % | 39,28 % |
53,665 € | 14.064 € | 26,31 % | 41,82 % |
256.303 € | 99171 € | 38,69 % | 42,00 % |
300.000 € | 118.835 € | 39,61 % | 45.00 % |
3.000.000 € | 1.333.835 € | 44,46 % | 45,00 % |
Bei einer Einkommenssteigerung von 24.000 € auf 36.000 € steigt der Steuersatz danach überproportional um 5,37 % und führt zu einer Delle in der Steuerkurve. Die ist in Zukunft abzuflachen, um die kalte Progression zu mindern oder gar zu beseitigen.
2. Der Progressionsvorbehalt
Steuerfreie Einkünfte sind von der Besteuerung ausgenommen. Bestimmte in § 32 b EStG genannte steuerfreie Leistungen unterliegen jedoch dem sogenannten Progressionsvorbehalt. Sie sind zwar nicht steuerpflichtig, sollen aber bei der Berechnung des Durchschnittssteuersatzes berücksichtigt werden. Sie werden daher dem zu versteuernden Einkommen hinzugerechnet. Der sich darauf ergebende Durchschnittssteuersatz ist dann auf das steuerpflichtige Einkommen anzuwenden.
Der Progressionsvorbehalt gilt nur für die in § 32 b Abs. 1 EStG genannten Bezüge für Steuerpflichtige, die im Kalenderjahr unbeschränkt Steuerpflichtig sind und für beschränkt Steuerpflichtige, auf die § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 EStG Anwendung findet. Der Progressionsvorbehalt gilt u.a. für folgende in § 32b Abs. 1 Nr. 1 EStG aufgeführten Bezüge:
- Arbeitslosen- und Kurzarbeitergeld sowie Zuschüsse dazu,
- Kranken- und Mutterschaftsgeld sowie Zuschüsse zum Mutterschaftsgeld,
- Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe,
- Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld nach dem Bundesversorgungsgesetz,
- Verdienstausfallentschädigung nach dem Unterhaltssicherungsgesetz,
- Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternteilzeitgesetz.
Der Progressionsvorbehalt gilt nach Abs. 2 auch für bestimmte ausländische Einkünfte, die im Veranlagungsjahr nicht der deutschen Einkommensbesteuerung unterlegen haben.
Beträge der genannten Art sind in der Anlage N der Steuererklärung ab Zeile 5 gesondert anzugeben, damit sie bei der Steuerberechnung für den Progressions-vorbehalt mit berücksichtigt werden können. Falls nicht generell eine Verpflichtung zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung besteht, ist bei Bezug von Leistungen, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen, eine Steuererklärung abzugeben, wenn diese Bezüge im Kalenderjahr zusammen mit denen des Ehegatten/Lebenspartners 410 € übersteigen.
Träger der Sozialleistungen haben gem. § 32 b Abs. 3 EStG die im Kalenderjahr gewährten Leistungen unter Angabe der Steuer-Identifikationsnummer (Steuer-ID) an die Finanzverwaltung zu übermitteln. Damit kann das Finanzamt bereits von sich aus den Progressionsvorbehalt prüfen und ggf. bei der Steuerfestsetzung berücksichtigen und ggf. Steuerveranlagungen korrigieren.
Das folgende Beispiel zeigt die mögliche Mehrbelastung aus dem Progressions-vorbehalt:
Das zu versteuernde Einkommen beträgt 24.000 € und ergibt für ein Ehepaar einen Steuerbetrag von 1.094 € und den Durchschnittssteuersatz von 4,56 %. Sind im Kalenderjahr steuerfreie Einkünfte in Höhe von 1.000 € bezogen worden, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen, so sind diese dem steuerpflichtigen Betrag hinzuzurechnen. Auf das dann fiktive Einkommen von 25.000 € würde eine Steuer von 1.302 € entstehen, was einen Durchschnittssteuersatz von 5,21 % ergibt. Dieser ist dann auf das zu versteuernde Einkommen von 24.000 € anzuwenden, so dass eine Steuer von 1.302 € entsteht. Der Progressions-vorbehalt für die steuerfreien Einkünfte von 1.000 € führt daher zu einem erhöhten Steuerbetrag von 208 €.
3. Vorschlag für eine Neuregelung des Tarifs bei Abschaffung des Solidaritätszuschlags
Mit der Bundestagswahl 2017 hat auch eine grundlegende Steuertarifreform wieder neue Diskussionen ausgelöst. Während die CDU/CSU eine Steuererhöhung grundlegend ablehnt, die SPD Erhöhungen beim Spitzensteuersatz und die Entlastung geringerer Einkommen fordert, möchte die FDP den Soli abschaffen und Steuern an die Bürger zurückzahlen. Da alle Wünsche schwer unter einen Hut zu bringen sind ohne die Finanzierung andere Grundsatzthemen des Wahlkampfes zu gefährden, müssen bei Koalitionsverhandlungen Kompromisse gefunden werden, die wie folgt aussehen könnten:
Der Solidaritätszuschlag wird abgeschafft und bei höheren Einkommen durch Erhöhung des Grenzsteuersatzes kompensiert. Der Grundfreibetrag beträgt wie schon beschlossen 9.000 €. Der Anfangssteuersatz bleibt bei 14 % und steigt mit einer abgeflachten Progression unterhalb der derzeitigen Tarifkurve bis zu 60.000 € (bisher 53.665 €) auf 42 % an. Damit wird dieser Bereich in Höhe des entfallenen Solizuschlags und darüber hinaus entlastet und die kalte Progression weiter reduziert.
Ab 60.000 € wird der Spitzensteuersatz auf 44 % angehoben und liegt damit 0,3 %-Punkte unter der bisherigen Belastung von Einkommensteuer und Solizuschlag (44,31 %). Dieser Bereich könnte bis 120.000 € oder auch einen höheren zu versteuernden Einkommensbetrag gelten.
Anschließend setzt der auf 48 % anzuhebende Spitzensteuersatz ein und führt zu einer Anhebung gegenüber der heutigen Belastung mit 47,48% nur zu einer moderaten Steuerhöhung von 0,5 % für die Großverdiener, trägt aber wie häufig gefordert zu einer stärkeren Beteiligung am Steueraufkommen bei. Der Wert gleicht den auch für diesen Bereich eintretenden Vorteil aus der Progressionsabsenkung und des späteren Beginns des Spitzentarifs (60.000 €) aus.
Bei Abschaffung des Solidaritätszuschlags wäre die Erhöhung des Körperschaftsteuersatzes und des Abgeltungssteuersatzes um jeweils 1%-Punkte konsequent und vertretbar. Sollte der Abgeltungssteuersatz wie von der SPD gefordert generell abgeschafft werden, bedarf es dieser Erhöhung nicht, weil dann die Gesamtbelastung der Kapitalerträge (Körperschaft- und Gewerbesteuer bei der Kapitalgesellschaft sowie Einkommensteuer beim Anteilseigner) ohne gleichzeitiger Wiedereinführung des Halbeinkünfteverfahrens die Belastung vergleichbarer Einkünfte erheblich übersteigt.
Helmut Laser