Steuerhinweis für Rentner Nr. 98 5.1.2018
Gedanken zur Jahreswende 2017/8
1. Vorbemerkung:
Ein Rückblick auf das abgelaufene Jahr zeigt, dass viele steuerlich Probleme ungelöst sind und die Diskussionen über eine neue Regierung macht deutlich, wie unterschiedlich die Meinungen in den Parteien sind über das, was in der Zukunft zu tun ist. Steuerhinterziehung und Steuerumgehung werden genau so diskutiert wie das Auseinanderdriften von Arm und Reich. Es ist allen klar, dass die Besteuerung gerecht sein muss und Steuerhinterziehung auch durch gesetzgeberische Maßnahmen einzudämmen ist. Andererseits muss die Gesetzgebung durchschaubar und praktikabel gestaltet werden. Zwei der Probleme haben auch mich mein ganzes berufliches Leben begleitet und auch seit meinem Ruhestand weiter beschäftigt: Ein einfach zu handhabendes Besteuerungsverfahren für innergemeinschaftliche Umsätze und eine einfach zu handhabende gerechte Einkommensbesteuerung sind meine Beiträge für die Steuerpolitik der neuen Regierung (siehe Ziffern 4 und 6).
2. Kurzbiographie
Nach dem Abitur begann ich 1957 meine Ausbildung im gehobenen Dienst der Finanzverwaltung. Nach erfolgter Steuerinspektorenprüfung übernahm ich diverse Funktionen in Einkommen- und Körperschaftsteuer-Veranlagungsbezirken und wurde schließlich zusätzlich Umsatzsteuerhauptsachbearbeiter und Umsatzsteuerlehrer. Mit Einführung der MWSt spezialisierte ich mich auf dieses neue Recht und legte den Grundstein für mein weiteres berufliches Leben.
1970 wechselte ich in die Steuerabteilung eines niedersächsischen Konzerns und war dort zunächst zuständig für die Umsetzung der Mehrwertsteuer und später auch für alle inländischen Steuerfragen. Zu meinen Aufgaben gehörte auch die Mitgliedschaft in den Arbeitskreisen Umsatzsteuer des Verbandes der Automobilindustrie sowie des BDI und DIHT sowie in diversen anderen Arbeitskreisen der genannten Verbände.
Die Körperschaftsteuerreform und die Versuche einer Reform der Einheitsbewertung, die schließlich zur Abschaffung der Vermögensteuer ab 1997 führte, waren über Jahre aktuelle Themen der Unternehmensbesteuerung, ebenso der Entfall der Gewerbekapitalsteuer und der Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen zum Gewerbeertrag. Die Gemeindefinanzreform war ebenfalls ein ständiges Thema. Mein Vorschlag war, die Ertragsteuern zu senken und die MWSt auf ein EU-Durchschnittsniveau zu erhöhen, um mit dem Mehr an MWSt den Gemeinden eine planbare und jährlich steigende Einnahmequelle zu erschließen und dafür die Gewerbesteuer abzuschaffen.
Außerdem wurde ich als Experte für latente Steuern bei der Umsetzung des Bilanzrichtliniengesetzes in Seminaren und durch Kommentierung im Beckschen Handbuch der Rechnungslegung tätig.
Für die MWSt wurde ich der Experte, der den BDI auch in Brüssel beim Arbeitskreis der europäischen Industrieverbände mit vertreten durfte. Durch Veröffentlichungen in der Umsatzsteuerrundschau, bei Vortragsveranstaltungen und Seminaren und durch eigene Broschüren und Kommentarbeiträge konnte ich mein Wissen und meine Vorschläge zum MWSt-Recht und auch bei der Steuerpolitik mehrfach publizieren.
3. Mein berufliches Leben für und mit der Mehrwertsteuer
Die Einführung des Mehrwertsteuer-Systems zum 1.1.1968 hat mein berufliches Leben bis zum Eintritt in den Ruhestand bestimmt. Als ich zum 1.1.1970 in die Steuerabteilung von VW wechselte, konnte ich mich dort auf die steuerlichen Fragen des neunen Umsatzsteuerrechts konzentrieren. Im Steuerausschuss des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) wurde ich schnell zum Spezialisten für die Wahrnehmung der Interessen der Automobilindustrie auf diesem besonderen Fachgebiet.
Im Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und beim Deutschen Industrie und Handelstag (DIHT) nahm ich in den Arbeitskreisen Umsatzsteuer diese Interessen wahr. Dort wurde in den Jahren bis 1977 die Sechste EG-Richtlinie begleitend vorbereitet, die zum Ziel hatte, die Vorschriften insbesondere der Bemessungsgrundlagen und Steuerbefreiungen in der EU zu vereinheitlichen.
Als zum 1.1.1993 durch Wegfall der Grenz- und Zollkontrollen an den Binnengrenzen der Gemeinschaft eine Kontrolle zu umsatzsteuerlichen Zwecken nicht mehr möglich war, ergaben sich zwangsläufig neue Vorschriften für die Besteuerung und Kontrolle innergemeinschaftlicher Warenbewegungen und Dienstleistungen. Diese wurden mit dem Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetz zum 1.1.1993 ins deutsche Umsatzsteuergesetz eingefügt. Sie lösten eine Welle von Informationsveranstaltungen und Seminare aus, an denen ich mich über den Haufe-Verlag mehrere Jahre beteiligte. Ergänzt wurde dieses durch die von mir gemeinsam mit einem Mitarbeiter in den Jahren 1993 bis 1995 herausgegebenen Broschüren „Umsatzsteuer-Erklärung leicht gemacht“.
Diese neuen Regelungen wurden zwar als Übergangsregelung bis zu dem für das Jahr 1997 angestrebten endgültigen EG-Binnenmarkt vorgesehen, aber bis heute nicht durch einen echten freien Binnenmarkt mit einheitlichen Steuersätzen ersetzt. Mein Wunsch war es, bis zur Beendigung meines beruflichen Lebens auch noch diese letzte Phase der MWSt-Harmonisierung zu erleben und durch eigene Vorschläge das Besteuerungsverfahren über die innergemeinschaftlichen Grenzen für die Unternehmen und die Steuerverwaltungen zu vereinfachen. Dieses war insbesondere wegen zu unterschiedlicher MWSt-Sätze und befürchteter Aufkommensverschiebungen in den Beitrittsländern bis 2000 nicht durchzusetzen.
Auch meine schon 1993 begonnenen Versuche, durch eigene Vorschläge die Besteuerung innergemeinschaftlicher Warenlieferungen und Dienstleistungen praktikabel und risikoloser zu gestalten, waren über eine BDI-Verbandsdiskussion hinaus den Vertretern der anderen europäischen Industrievertreter nicht zu vermitteln. Im Zusammenhang mit der Umsatzbesteuerung des Electronic Commerce habe ich den Vereinfachungsvorschlag Anfang 2000 nochmals aufgegriffen in der Hoffnung, dass die Anwendung auf den elektronischen Handel hätte zeigen können, welche Vereinfachungen ein einheitlicher MWSt-Satz bei meinem Vorschlag gebracht hätte. Leider wurde der Vorschlag auch 2000 nicht aufgegriffen.
Da abzusehen war, dass mein Wunsch nach einem vereinfachten endgültigen Ursprungslandsystem in absehbarer Zeit nicht realisierbar erschien, habe ich zum 1.5.2000 mit 63 Jahren bei VW meinen Abschied genommen und damit auch die Verbandstätigkeit beendet. Bezüglich der Umsatzsteuerharmonisierung hat sich auch in den 2000er Jahren keine Verbesserung mehr ergeben, obgleich sich mit Einführung des EURO das Kursrisiko für die Mitgliedsstaaten mit einheitlicher Währung nicht mehr gestellt hätte und ein Clearing auf Umsätze mit den Ländern hätte beschränkt werden können, die dem EURO nicht beigetreten sind.
Schließlich haben die neu hinzu gekommenen Mitgliedsländer eine Angleichung der Steuersätze zusätzlich erschwert, so dass meine 1993 erstmals publizierten Vereinfachungsvorschläge nach wie vor eine Berechtigung haben. Es stellt sich somit auch zum Jahreswechsel 2017/8 wieder die Frage:
4. Ist ein endgültiges Ursprungslandsystem auch heute noch ohne Angleichung der MWSt-Sätze in der Gemeinschaft denkbar?
Wie oben dargestellt, haben wir in der EU nach wie vor kein endgültiges Ursprungslandsystem. Auch wenn sich die Steuersätze inzwischen mit wenigen Ausnahmen zwischen 19 und 25 % eingependelt haben. Auch Deutschland hat seit 2007 statt 16 % einen Normalsteuersatz von 19 % und befindet sich in dieser Bandbreite. Lediglich Luxemburg (17%) und Malta (18%) liegen weiter darunter, während eine Reihe von Länder wie z.B. die nordischen Staaten mit 25 % und Ungarn mit sogar 27% die Bandbreite doch erheblich übersteigen.
Damit ist zwar nur eine bedingte Annäherung, aber auch eine Ausdehnung nach oben innerhalb der erheblich erweiterten Mitgliedstaaten erfolgt, dennoch wird an den Regeln der 1993 beschlossenen Besteuerungsgrundsätze für innergemeinschaftliche Umsätze festgehalten. Die Unternehmen müssen weiterhin eine Zusammenfassende Meldung abgeben und innergemeinschaftliche Erwerbe besteuern. Das Kontrollverfahren der Steuerbehörden zwecks Vermeidung von Steuerausfällen belastet die Verwaltung und die Unternehmen.
Die Ausfälle durch grenzüberschreitenden MWSt-Betrug wird z.Zt. auf jährlich 50 Milliarden Euro geschätzt. Dieses hat die EU-Kommission zu der Forderung nach Reform des Systems der Mehrwertbesteuerung der grenzüberschreitenden Umsätze veranlasst. Damit könnten die von mir 1993 vorgeschlagenen Vereinfachungsvorschläge auch heute wieder ins Gespäch kommen. Diese sehen schwerpunktmäßig folgendes vor:
- Einführung eines einheitlichen EU-Steuersatzes für alle innergemeinschaftlichen Umsätze.
- Besteuerung am Sitzort des Unternehmers für alle Umsätze an Unternehmer durch Schaffung eines einheitlichen Leistungsorts im Inland (Sitzortprinzip). Dadurch wäre es möglich, alle Umsätze eines Unternehmens folgenden Gruppen zuzuordnen:
- Inlandsabnehmer einschl. private EU-Kunden ohne IdNr. (steuerpflichtig mit nationalem Steuersatz des leistenden Unternehmers),
- EU-Abnehmer mit IdNr. (steuerpflichtig mit dafür geltenden einheitlichen EU-Steuersatz),
- Drittlandskunden (wie bisher steuerfreie Ausfuhrlieferung mit Grenzkontrollen). - Entfall der Erwerbssteuer für innergemeinschaftliche Einfuhren.
Dafür beim Einführer Erfassung der EU-Steuer auf gesondertem Vorsteuerkonto zwecks Vorsteuerabzug der in Rechnungen mit IdNr. nachgewiesenen EU-Steuer (kein Vorsteuerabzug für nationale MWSt eines anderen EU-Staates). - Meldung der in der Umsatzsteuervoranmeldung zu erklärenden EU-Mehrwertsteuer und EU-Vorsteuer durch das Finanzamt an eine nationale Erfassungsstelle und ein zentrales Clearing innerhalb der EU.
Diese Grundregeln würden auch für die Besteuerung des Electronic Commerce anwendbar und sicherstellen, dass Dienstleistungen über die innergemeinschaftlichen Grenzen zwischen Unternehmen neutralisiert und gegenüber privaten Abnehmern am Sitzort des leistenden Unternehmers besteuert würden.
Die von der Kommission angestrebte Beseitigung von Steuerausfällen würde möglich und die Unternehmen durch Wegfall der Zusammenfassenden Meldungen und der Erwerbsbesteuerung erheblich entlastet.
Einzelheiten zu diesem Vorschlag sind in den Umsatzsteuerrundschauen 12 / 1993 auf Seite 405 ff. (Beilage A) und 10 / 1997 auf Seite 376 ff. (Beilage B) nachlesbar.
Die Frage, ob ein endgültiges Ursprungslandsystem auch heute noch ohne Angleichung der MWSt-Sätze in der Gemeinschaft denkbar wäre, ist m. E. eindeutig mit ja zu beantworten und sollte im Jahr 2018 von der neuen Bundesregierung und der EU-Kommission im Hinblick auf eine erhebliche Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens für die Unternehmen und die Finanzverwaltung und zwecks Eindämmung der Steuerausfälle aufgegriffen werden.
5. Brauchen wir nach wie vor eine grundlegende Steuerreform?
Nach vier Jahren großer Koalition beschäftigt uns am Jahresende nach wie vor die Frage, wie die sozialen Sicherungssysteme finanziert und die ständig steigenden Ausgaben für Renten durch die arbeitende Generation über ihre Sozialabgaben und Steuerabzüge aufgebracht werden können.
Die Verhandlungen zum Ausloten der Möglichkeiten einer Jamaika-Koalition haben die unterschiedlichen Auffassungen zur Lösung der Zukunftsprobleme und auch der zeitnahen Problemstellungen deutlich gemacht und schließlich durch die FDP zum Abbruch der Verhandlungen geführt. In Kürze werden die Sondierungsgespräche zwischen CDU/CSU und SPD aufgenommen und der nächste Versuch zur Gründung einer tragfähigen Regierung unternommen. Dann wird es sich zeigen, ob die Kontroversen bezüglich einer künftigen Großen Koalition in einem tragbaren Kompromiss enden werden.
Um bereits vor der abgelaufenen Legislaturperiode etwas zur sachlichen Diskussion beizutragen und meine eigenen Überlegungen dazu festzuhalten, habe ich 2012 unter der Überschrift „Wie sicher sind unsere Renten und brauchen wir eine grundlegende Steuerreform“ eine umfangreiche Abhandlung verfasst, in der ich zu diversen Fragenkomplexen Stellung bezogen habe (siehe Beitrag „Renten und Steuerreform“):
Heute werden die meisten der damals vertretenen Thesen immer noch bzw. wieder neu diskutiert. Der damals erhoffte Aufschwung hat durch das Flüchtlingsproblem zwar einen Dämpfer erfahren, in den letzten Jahren dennoch einen so nicht erwarteten Wirtschaftsaufschwung gebracht, der uns für die Zukunft hoffnungsfroh stimmen sollte. Allerdings hat die Bundestagswahl 2017 gezeigt, dass die AfD durch den Einzug ins Parlament die Parteienlandschaft verändert hat und die etablierten Parteien keine ausreichende Mehrheit erhielten, um mit anderen Parteien eine neue Regierung zu bilden oder gar Frau Merkel abzulösen.
Faßt man die Themen zusammen, die als Schwerpunkte einer künftigen Regierung von den Parteien genannt werden, so ergeben sich folgende Schwerpunkte:
- Minderung der Steuerbelastung für untere und mittlere Einkommen einschließlich Abschaffung des Solidaritätszuschlags.
- Bekämpfung der Steuerflucht und Steuerverkürzung sowie Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens durch Nutzung des Systems Elster.
- Lösung des Flüchtlingsproblems (Zuzugsbegrenzung, Integration und Familiennachzug).
- Umweltproblematik (Atom- und Kohleausstieg und Luftverschmutzung).
- Finanzen, Wirtschaft, Soziales und Bildung.
- Digitalisierung und Ausbau des Breitbandnetzes.
Nachdem die elektronische Lohnsteuerbescheinigung des Arbeitgebers, die elektronische Rentenbezugsmitteilung durch die Sozialversicherungsträger und die zusammenfassende Jahresbescheinigung der Kreditinstitute verpflichtend geworden sind, habe ich bereits im April 2005 zum Thema Steuervereinfachung folgende vereinfachte Einkommensteuererklärung ohne nennenswerte Gesetzesänderungen für umsetzbar angesehen:
Bei Steuerpflichtigen mit ausschließlich meldepflichtigen Einkünften aus
· nichtselbständiger Arbeit (z. B. Betriebsrente)
· Kapitaleinkünften
· Rentenbezügen
würde die Abgabe einer Kurzsteuererklärung für die Besteuerung ausreichen, weil das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen aus den Meldungen erfassen kann.
Die Kurzerklärung würde lediglich die allgemeinen (persönlichen) Angaben, die Angabe der eTIN Nummern und die unterschriebene Versicherung erfordern, dass keine weiteren bzw. anderen Einkünfte erzielt wurden.
Das Finanzamt könnte dann aufgrund der Kurzerklärung
· die Besteuerungsgrundlagen aus dem System erfassen,
· die Steuer berechnen und
· den Bescheid erteilen.
Für ans Finanzamt gemeldete Kapitalerträge von Kreditinstituten könnte der Steuerabzug entfallen, wenn der Steuerpflichtige statt einer Freistellungsbescheinigung oder eines Freistellungsauftrags eine Bescheinigung des Finanzamts mit seiner eTIN-Nummer vorlegt und der Steuerpflichtige der Datenübermittlung ans Finanzamt zustimmt. Nachdem 2009 für Kapitalerträge die 25 %ige Abgeltungssteuer eingeführt wurde, wären diese Einkünfte nur noch bei Antragstellung wegen Günstigerprüfung in die Einkommensberechnung einzubeziehen.
Wie das Alterseinkünftegesetz aus 2005 mit seinen langfristigen Übergangs-regelungen zeigt, ist eine grundlegende Änderung des Steuersystems kurzfristig ohne langfristige Maßnahmen nicht realisierbar. Denn bis zum Jahr 2040 wird schrittweise auf die Vollbesteuerung der BfA-Rente und den Entfall des Versorgungsfreibetrags bei Betriebsrenten übergeleitet. Gleichzeitig wird bis 2025 schrittweise der volle Sonderausgabenabzug von Vorsorgeaufwendungen zugelassen. Der Sonderausgabenabzug nach dem bis 2004 geltenden Recht wird bereits bis 2019 durch schrittweise Minderung des Vorwegabzugs an Bedeutung verlieren. Dennoch ist es zu begrüßen, wenn neue Vorstöße unternommen werden, eine generelle Neuordnung der Besteuerung durchzuführen und trotz dieser Übergangsregelungen ein praktikables vereinfachtes Besteuerungs-verfahren für einen immer größer werdenden Anteil der Bevölkerung (Rentner und Geringverdiener) umzusetzen.
Die Frage, ob wir nach wie vor eine grundlegende Steuerreform in Deutschland benötigen, muss daher weiterhin bejaht werden.
Wie oben dargestellt, muss das deutsche Steuersystem grundlegend renoviert und gerechter sowie in der Umsetzung einfacher und für den Laien verständlich und nachvollziehbar gestaltet werden. Da für radikale Reformen z. Z. jedoch die nötigen finanziellen Spielräume fehlen und damit eine parlamentarische Mehrheit kaum erreichbar erscheint, kann nur schrittweise auf ein endgültiges Ziel hingearbeitet werden. Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vom 17.6.2016 wurden bereits die notwendigen Schritte eingeleitet, die zT. bereits zum 1.1.2017 wirksam werden (Verzicht auf Belege bei Abgabe der Einkommensteuererklärung 2017). Siehe auch Steuerhinweis für Rentner Nr. 76.
Unter diesen Voraussetzungen sollte die vereinfachte Besteuerung für Rentner und Geringverdiener wie von mir bereits am 4.4.2012 vorgeschlagen (siehe www.helmutlaser.de unter Steuerhinweis für Rentner Nr. 41) durch eine neue Regierung schon für die Steuererklärung 2018 realisiert werden.
6. Vorschlag eines vereinfachten Besteuerungsverfahrens mit vorgefertigtem Steuerbescheid für Rentner und Geringverdiener
Von dem zuständigen Finanzamt werden die Lohnbescheinigung des Arbeitgebers und die Rentenbezugsmitteilungen durch das Erfassungssystem ausgewertet.
- Versorgungsbezüge werden um den 40%igen Versorgungsfreibetrag (max. Höchstbetrag) gemindert.
- Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (z.B. Betiebsrente) werden um 1.000 € Arbeitnehmerpauschale reduziert.
- Die Rentenbezüge werden aus der Mitteilung des Rentenversicherers übernommen, der im Erstjahr des Rentenbezugs festgestellte Freibetrag wird abgezogen.
- Kapitalerträge werden lt. Bankmitteilung (auch die mit Abgeltungssteuer zwecks Günstigerprüfung) erfasst.
Daraus ergibt sich der Gesamtbetrag der Einkünfte. Bei enthaltenen Kapitaleinkünften wird bei über 64jährigen der Altersentlastungsbetrag zusätzlich berücksichtigt und eine Günstigerprüfung durchgeführt.
Aus der Lohnbescheinigung und der Rentenbezugsmitteilung werden für den Sonderausgabenabzug die einbehaltenen Sozialversicherungsbeiträge erfasst (bei Rentnern sind dieses die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge) und als Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen. Weitere Sonderausgaben werden zunächst ignoriert und können nur durch den Steuerpflichtigen nachträglich geltend gemacht werden. Dem Finanzamt nachgewiesene Behinderten-Freibeträge werden von Amtswegen berücksichtigt.
Das System ermittelt daraufhin den vorläufigen Steuerbescheid und übermittelt ihn dem Steuerpflichtigen, wenn möglich per Mail. Der Steuerpflichtige muss dem Bescheid schriftlich zustimmen und dabei erklären, dass keine weiteren Einkünfte bezogen wurden oder er kann widersprechen und weitere Aufwendungen oder Einkünfte (z.B. Verluste) geltend machen.
Ergibt sich auch unter Einbeziehung eventueller Kapitalerträge keine Steuerschuld, wird der Steuerbescheid zu einem „Nicht- Veranlagungsbescheid“ und kann bei Kreditinstituten anstelle der Freistellungsbescheinigungen zur Freistellung von der Erhebung der Abgeltungssteuer genutzt werden. Dieser erste Freistellungsbescheid gilt für 3 Jahre und wird dann anhand der aktuellen Bankmitteilungen und Entgeltbescheinigungen überprüft. Entstehen dabei Steuerbeträge, werden sie ggf. auch für Vorjahre nachträglich erhoben. Der Steuerpflichtige braucht von sich aus eine Steuererklärung nur noch abzugeben, wenn sich aus seiner Kenntnis durch höhere Bezüge oder neue Einkünfte höhere zu besteuernde Einkünfte ergeben als bisher und dadurch eine Steuerschuld entsteht.
Helmut Laser